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Pfizermed / Therapiegebiete / Gentherapie / Was ist Gentherapie?
Als "Gentherapie" bezeichnet man das Einbringen von Nukleinsäuren (DNA oder RNA) in Körperzellen, um einen genetischen Defekt gezielt zu behandeln. Derzeit zielt man primär darauf ab, monogenetische Erkrankungen (ausgelöst durch Veränderungen eines einzelnen Gens) damit zu behandeln.
Bei der Gentherapie werden folgende Ansätze unterschieden:
Bei dieser Form der Gentherapie wird mithilfe eines sogenannten (sog.) viralen Vektors eine funktionelle Kopie des defekten Gens in die Zelle gebracht. Dieser Ansatz findet vor allem bei rezessiven Erkrankungen Anwendung. Autosomal rezessive Erbkrankheiten können Gene auf den Chromosomen 1-22 betreffen, den sog. Autosomen, von denen es jeweils 2 Kopien in jeder Körperzelle gibt. Bricht eine autosomal rezessive Erbkrankheit aus, sind die betroffenen Gene auf beiden Chromosomen defekt. Bei X-chromosomal rezessiven Erkrankungen sind Männer immer betroffen, da sie nur ein X-Chromosom besitzen und der Fehler auf dem Gen dieses einen Chromosoms nicht durch eine 2. Kopie eines intakten Gens ausgeglichen werden kann. Frauen hingegen besitzen 2 X-Chromosomen, wodurch diese meist nur Träger des defekten Gens, aber selten Betroffene sind.
Durch das Einbringen einer intakten Kopie des Gens, eines sog. Transgens, kann die Krankheit gezielt therapiert werden, was den Schweregrad der Erkrankung mildern oder, im besten Fall, zu einer Symptomfreiheit führen kann. Letztendlich werden nach der Therapie im Körper das kranke und auch das gesunde Genprodukt (Proteine) produziert.
ITR= inverted terminal repeat
Bei dieser Art von Therapie können unterschiedliche virale Vektorsysteme verwendet werden. Relativ sicher sind AAV-basierte Vektorsysteme, da sie ihr genetisches Material nicht in das humane Genom integrieren und kaum bis keine akute Immunantwort hervorrufen. Allerdings sollten mit diesem Vektor ausschließlich Zellen therapiert werden, die sich nicht mehr teilen, um eine ‚Verdünnung‘ des Transgens bei der Zellteilung zu verhindern (Näheres siehe unter ‚virale Vektoren‘). Wie lang der Effekt allerdings wirklich anhält, kann man noch nicht mit Sicherheit sagen, da Langzeitdaten fehlen.
Bei diesem Ansatz können Gene mithilfe einer “Genschere”, sog. Endonukleasen, wie z.B. CRISPR/Cas9 oder Zinkfingernukleasen, in das menschliche Genom eingefügt, daraus entfernt oder z.B. defekte Gene im Genom gezielt repariert werden. Der Defekt wird dadurch dauerhaft repariert. Ziel ist es, dass letztendlich ein funktionsfähiges Protein im Körper produziert wird. Erste Gentherapien mit dieser Methode befinden sich allerdings noch in den frühen klinischen Phasen.
Cas9= CRISPR associated protein 9
PAM= protospacer adjacent motif
crDNA= CRISPR DNA
tracrRNA= trans-activating RNA
Bei Gentherapien, die in die Epigenetik des Genoms eingreifen, wird die Expression (Ablesungsrate eines Gens) gezielt verändert, ohne den genetischen Code in der Zelle zu verändern. Das kann durch
gewährleistet werden.
Histone sind kleine Proteine, um welche die DNA gewickelt ist. Ist die DNA eng um Histone gewickelt, können Gene auf diesen Bereichen nicht abgelesen werden. Lockert sich die DNA Umwicklung aber, können die Informationen von dem genetischen Code abgelesen und in Proteine umgeschrieben werden.
Die Genexpression eines Gens kann über kleine regulatorische DNA oder RNA Sequenzen (zB. siRNA (silencing bzw small interfering RNA) oder Antisense Oligonukleotide (ASO)) reguliert werden. Diese kleinen Nukleotidsequenzen binden an die Ziel mRNA und verhindern so die Bildung des pathogenen Proteins.
siRNA= small interfering Ribonukleinsäure
dsRNA= doppelsträngige Ribonukleinsäure
RISC= RNA-induced silencing complex
mRNA= messenger Ribonukleinsäure
ASOs können weiters das Splicing eines Gens beeinflussen. Beim Splicing werden von der mRNA die nicht codierenden Bereiche des Gens, sogenannte Introns, entfernt und die codierenden Bereiche (Exons) zusammengefügt. ASOs können die Splicing Sites, also jene Sequenzen, die von der Splicing Maschinerie erkannt werden, durch Bindung blockieren, wodurch Exons mit der krankheitsverursachenden Mutation übersprungen (geskippt) und beim Splicing entfernt werden können. Bei dem geskippten Bereich muss es sich allerdings um eine vernachlässigbare Region im Zielprotein handeln, dessen komplettes Fehlen den Leseraster des Gens nicht verändert und die Funktionalität des Proteins wenig bis kaum beeinflusst.
Referenzen:
1. Rossor AM, Reilly MM, Sleigh JN. Pract Neurol (2018); 18: 126–131
2. High KA & Roncarolo MG. N Engl J Med (2019); 381: 455-64
3. Goswami R et al Front Oncol (2019); 9:297
4. Lundstron K. Diseases 2018; 6(2):42. 3
Zellen können auf zwei verschiedene Wege genetisch modifiziert werden:
Die Gentherapie wird intravenös oder durch direkte Injektion in das Zielorgan in den Körper eingebracht. Dieser Ansatz ist von Vorteil, wenn keine Integration in die körpereigene genomische DNA erwünscht ist. Hier besteht aber die Möglichkeit einer Immunantwort des Körpers auf den viralen Vektor.
Hier werden Zellen aus dem Körper entnommen und im Labor mit dem Virus, der das therapeutische Gen enthält, infiziert bzw. behandelt (transduziert). Dies findet vor allem bei solchen Therapien Anwendung, wo eine Integration des therapeutischen Gens in das Genom von ausgewählten Zellen erwünscht ist. Die Zellen werden nach der Transduktion dem/der Patienten/in zurück überführt (zB CAR-T Zellen).
Example
Example
Referenz:
1. High KA & Roncarolo MG. N Engl J Med (2019); 381: 455-64
Virale Vektoren mit einem episomalen Charakter (z.B Adenoviren oder AAV Viren) infizieren die Zellen und sorgen dafür, dass die therapeutische Sequenz im Nukleus abgelegt und dort fortlaufend abgelesen wird. Der Vorteil bei episomalen Vektoren liegt darin, dass ihre DNA sich nicht in die körpereigene genomische DNA einbaut und somit keine wichtigen Gene durch eine zufällige, nicht-gezielte Integration unterbrechen kann. Aufgrund ihres nicht-integrativen Charakters ist die Therapie mit episomalen Vektoren allerdings auf post-mitotische, also sich ‚nicht-teilende‘ Zellen beschränkt, wie z.B. Muskel- oder Nervenzellen. Da sich die episomale DNA im Kern nicht wie die genomische DNA im Zellzyklus verdoppelt und sich bei der Zellteilung zu gleichen Teilen auf die Mutter- und Tochterzelle aufteilt, wird sie bei einer Zellteilung ‚ausverdünnt‘, wodurch eine Minderung des Therapieeffekts zustande kommen kann. Deshalb sind Gentherapien, die z.B. die Leber als Zielorgan haben, erst im Erwachsenenalter sinnvoll, wenn die Leber vollständig ausgebildet ist.
Zu den integrativen Vektoren zählen Lenti- und Retrovirale Vektoren. Sie haben die Tendenz, ihr genomisches Material in das Genom der Zielzelle einzubauen. Durch die Integration in die genomische DNA kann das eingebrachte Gen in jedem neuen Zellzyklus mit der genomischen DNA verdoppelt und bei der Zellteilung in jeder neuen als auch alten Zelle weiter bestehen bleiben. Allerdings ist der Nachteil bei diesen Vektoren, dass sie sich ungezielt in die DNA integrieren und somit wichtige Gene unterbrechen können, z.B. Tumorsuppressoren, was zur Entstehung von Tumoren führen kann.
RNA= Ribonukleinsäure
ssDNA= single-stranded Desoxyribonukleinsäure
Referenzen:
1. Thomas CE, et al. Nat Rev Genet 2003;4:346–58.
2. Lundstron K. Diseases 2018; 6(2):42.
3. Goswami et al. Front Oncol,2019; 6:297.
Eine Gentherapie ist nur dann effizient, wenn die gentherapeutische Sequenz in ausreichender Menge in das gewünschte Zielorgan eingebracht wird. Um das zu gewährleisten, müssen die Viren einen sog. "Zelltropismus" für die Zellen des Zielorgans aufweisen. Der Tropismus beschreibt die Tendenz oder Affinität eines Virus, spezifische Zelltypen bevorzugt zu infizieren. Von Adeno-assoziierten Viren (AAV) gibt es verschiedene Serotypen, die unterschiedliche Tropismen aufweisen. Diese Eigenschaft ermöglicht eine sehr breite Einsatzmöglichkeit der Viren für eine in-vivo Gentherapie.
Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es für die Wahl der Viren essenziell, ob man sich-teilende oder post-mitotische, also sich nicht mehr teilende Zellen, infizieren möchte. Während AAV basierte Vektorsysteme nur für post-mitotische Zellen geeignet sind, sind bei sich-teilenden Zellen retrovirale Systeme von Vorteil. Der Grund dahinter ist folgender: Adeno-assoziierte Viren bringen ihr genetisches Material in den Zellkern ein, ohne es in die menschliche DNA einzubauen (sie sind sogenannte nicht-integrative Viren). Hierbei spricht man von einer "episomalen" DNA.
Die genomische DNA im Zellkern wird während jedes Zellzyklus verdoppelt, um bei der darauffolgenden Zellteilung die DNA zu gleichen Teilen auf die neue Tochter- und alte Mutterzelle aufzuteilen, so dass am Ende beide Zellen das idente Genom aufweisen. Episomale DNA wird allerdings nicht mit verdoppelt und würde sich bei jeder Zellteilung "ausdünnen". Als Beispiel: Eine Zelle besitzt nach erfolgreicher Gentherapie mit einem AAV-basierten Vektorsystem 6 episomale Transgene. Nach der ersten Zellteilung liegen in jeder Zelle nur mehr 3, nach der 2. nur mehr 2 bzw. 1 episomale therapeutische DNA Sequenz(en) vor, bis Zellen nach einer weiteren Zellteilung zum Teil keine therapeutische DNA mehr aufweisen. Der Effekt bleibt somit aus oder wird stark vermindert.
Aus diesem Grund sollten Therapien, welche z.B. die Leber als Zielorgan haben, erst ab dem Zeitpunkt verabreicht werden, wenn sich die Leberzellen nicht mehr teilen und die Leber ihre letztendliche Größe erreicht hat. Auch sollten Schädigungen der Leberzellen fortlaufend vermieden werden (Verzicht auf Alkohol), da Zellen dadurch zerstört und der therapeutische Effekt somit gemindert werden kann. Anders ist es hingegen bei Nerven- oder Muskelzellen: Bei der Geburt ist bereits der volle Zellsatz vorhanden. Diese Zellen teilen sich im Laufe des Lebens nicht mehr, sondern ändern sich nur hinsichtlich ihrer Größe oder Dicke, weswegen eine Gentherapie mit AAV-basierten Systemen zu einem sehr frühen Zeitpunkt möglich wäre.
Retrovirale Systeme (ϒ-Retroviren und Lentiviren) sorgen hingegen dafür, dass das eingebrachte genetische Material in das Genom integriert wird.
Somit kann es in jedem Zellzyklus verdoppelt und bei der Zellteilung zu gleichen Teilen auf Tochter- und Mutterzelle aufgeteilt werden. Das ermöglicht es auch, Gentherapien für sich noch teilende Zellen zu entwickeln.
Während ϒ-Retroviren nur sich-teilende Zellen infizieren können, sind Lentivirale Systeme für beide, post-mitotische und sich-teilende Zellen einsetzbar. Das würde z.B. Zellen des Blutsystems, Stammzellen, Darm, Magen etc. betreffen. Allerdings passieren diese Integrationen ungezielt. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass die DNA inmitten eines wichtigen Gens zur Zellzykluskontrolle oder in eine wichtige Kontrollregion eingebaut wird, was letztendlich zu einer Veränderung der Zellteilung und somit auch zur Entstehung eines Tumors führen kann. Ein weiterer Nachteil der Retroviren ist, dass sie eine geringe Zellspezifität aufweisen und unerwünschte Zellen infizieren können. Gentherapien, die auf Lenti- oder ϒ-Retrovirale Vektorsysteme setzen, werden derzeit deshalb hauptsächlich ex-vivo in die Zellen eingebracht. Das setzt voraus, dass man Zellen aus dem Körper isolieren und im Labor für kurze Zeit kultivieren kann. Nach erfolgreicher Transduktion (sprich, Infektion mit dem Virus), werden die Zellen in den Körper zurück eingebracht. Man spricht hier von einer autologen Transplantation, da es sich um körpereigene Zellen handelt.
Wichtig zu bedenken ist auch, wie viele Zellen man mit der Therapie erreichen muss. Die Größe des Organs bzw. die Anzahl der Zellen bestimmen auch, welche Dosis benötigt wird, um die Zellen mit ausreichender Menge an therapeutischer DNA zu versorgen. Während bei einer lokalen Verabreichung der viralen AAV-basierten Gentherapie ins Auge ‚nur‘ etwa 100 Milliarden Vektorgenome injiziert werden, werden bei einer systemischen Behandlung (intravenös verabreichte Gentherapien) von Muskelerkrankungen hingegen rund 1 Quadrillion Vektorgenome benötigt.
Referenzen:
1. Goswami R. et al,Front. Oncol (2019), 9:297
2. Tretiakova A. et al. Nature Research (2018), Pfizer Sponsor Feature, www.nature.com/articles/d42473-018-00307-6, letzter Zugriff May 2022
Gentherapien konzentrieren sich zum derzeitigen Zeitpunkt nur auf die Behandlung von somatischen Zellen und nicht auf Keimbahnzellen, weswegen die vorliegenden Gendefekte weiterhin an die nächste Generation vererbt werden können. Die gezielte Veränderung der Keimbahnzellen im Menschen ist ethisch und rechtlich verboten! Obwohl AAV Viren nach erfolgter Gentherapie für einige Tage bis Wochen in der Samenflüssigkeit nachweisbar sind, kam es nach derzeitigem Wissensstand zu keiner Infektion der Samenzellen, weswegen die gentherapeutischen Gensequenzen nicht vererbt werden können. Trotzdem sollte man für einige Zeit nach der AAV-basierten Gentherapie auf ungeschützten Geschlechtsverkehr verzichten, bis die AAV-Partikel im Samen nicht mehr detektierbar sind.
Referenzen:
1. Rangarajan S et al, NEJM (2017), 377:2519-2530
2. Couto L. et al, Hum Gen Ther (2004), 15(3):287-91
3. Schuettrumpf J et al, Mol Ther (2006), 13(6):1064-73
4. EMA guidelines Annex to NfG - nonclinical testing - germline transmission (europa.eu)
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